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Wenn wir uns fragen, ob Toleranz Grenzen hat – und diese Frage wird oft in recht ärgerlichem Ton gestellt – dann kann man nur „Ja“ sagen. Dies aber nur, wenn man selbst tolerant ist. Toleranz setzt allerdings voraus, daß man einen Standpunkt hat, von dem aus die Welt betrachtet und bewertet wird. Von daher sind auch jene Grenzen der Toleranz definiert.
Man mutet uns gerne das Bonmot von Friedrich II. zu, der bemerkte, daß „bei ihm ein jeder nach seiner Faćon seelig werden“ könne. Das riecht geradezu nach Toleranz, ist es aber in Wirklichkeit nicht. Der Alte Fritz hatte im Grunde genommen keinen besonderen Standpunkt, auf den sich sein Auspruch beziehen konnte. Das warf ihm Voltaire ebenso vor. Friedrich II hatte zwar sehr dezidierte eigene Interessen, aber ansonsten pflegte er seine adlige Gleichgültigkeit.
Gleichgültigkeit im Sinne von „Alles ist gleich gültig“ hat keine Wurzeln in einem humanistischen Wertesystem. Sie gibt dem Mordpöbel, der verletzt, das gleiche Recht wie dem Rettungssanitäter, der dem Verletzten zu Hilfe eilt, der Beleidiger ist dem Beleidigten gleich. Wer allerdings einen Standpunkt hat, wer daher Grenzen des Erträglichen ziehen kann, nur der kann tolerant sein. Nur der weiß, was er noch klaglos erdulden mag. Laßt uns also nicht den Begriff „Toleranz“ überstrapazieren, laßt uns nachdenken und darüber sprechen, welches unsere Werte sind.
Nirmalo sagte:
Rita: „der Beleidiger ist dem Beleidigten gleich“
Ja, auf einer tieferen Ebene – nicht an der Oberfläche, wo die hohen Wellen der Emotionen zuhause sind. Der Krieg findet an den Rändern statt, wo es das Ego gibt.
Je tiefer wir gehen, desto mehr verschwimmen die Unterschiede.
Rita: „Friedrich II. … daß „bei ihm ein jeder nach seiner Faćon seelig werden“ könne“
In meinen Ohren klingt das einfach nach… Religionsfreiheit.
Rita: „ob Toleranz Grenzen hat … kann man nur „Ja“ sagen“
Ja, die Toleranz wird gewährt: Von oben nach unten.
Der Tolerierende hat gegenüber dem Tolerierten das Heft in der Hand und kann die Toleranz jederzeit in Reglement oder Ausschluß verwandeln.
Toleranz ist nicht Gleichheit !
„Toleranz“ bedeutet, daß es Grenzen gibt, auch wenn sie vom Tolerierten (noch) nicht zu sehen oder zu spüren sind.
Toleranz ist Duldung bis zu
einer undefinierten Grenze.
Ein sonniges Wochenende
wünscht… Nirmalo
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Ben sagte:
‚Toleranz‘ ist Duldung über eine festgelegte Grenze hinaus, bis da hin, wo man es noch aushalten kann.
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Philosophical Rita sagte:
Ist die oder eine Grenze wirklich festgelegt? Oder ändert sie sich, je nach Zeit, Erfahrung, seelischer Belastung?
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Nirmalo sagte:
Rita: „Alles ist gleich gültig“ hat keine Wurzeln in einem humanistischen Wertesystem.“
Das ist richtig, denn das humanistische Wertesystem gewinnt seine Existenzberechtigung auf der HORIZONTALEN, auf der gesellschaftlichen Ebene.
Dein Zitat „Alles ist gleich gültig“ gilt dagegen nur in der VERTIKALEN, auf der spirituelle Ebene.
In der Gesellschaft sind die Unterschiede und selbstverständlich auch die Unterscheidungen äußerst wichtig, anders kämen wir hier gar nicht zurecht. Dafür ist der Verstand zuständig, hier hat er seine Aufgabe.
Im Spirituellen gelten andere Gesetze. Beim Beten oder Meditieren wird der Verstand nicht gebraucht, hier würde er bloß stören.
Wir kennen das Phänomen… wenn wir einschlafen wollen: Solange der Verstand nicht zur Ruhe kommt, haben wir keine Chance, einschlafen zu können. Das Denken mobilisiert den Emotionalkörper, dieser den Kreislauf und dieser gibt wiederum dem Denken neue Energie: Einschlafen unmöglich. – Es sei denn, wir bringen den Verstand zum Schweigen, indem wir aus dem Hamsterrad des Denkens aussteigen.
Nicht jeder Satz, nicht jedes Zitat, nicht jedes Gleichnis kann auf der Horizontalen, kann mit dem Intellekt verstanden werden.
Die (wirkliche!) Philosophie schöpft aus der Vertikalen und kommuniziert auf der Horizontalen. Auf dieser können wir vergleichsweise frei agieren („freier Wille“ u.s.w.), aber die Vertikale… ist größer als wir. In ihr können wir über nichts verfügen.
Wir können aus den Quellen schöpfen,
aber… wir können sie nicht erschaffen.
Grüße ✨
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Nirmalo sagte:
Rita: „Wer allerdings einen Standpunkt hat…“
Die Weisheit und somit auch die (wirkliche!) Philosophie kennt keinen Standpunkt im Sinne einer feststehenden Sicht auf die Dinge oder einer Meinung.
Weisheit… ist ihrer
Natur nach Freiheit.
So notwendig (im Wortsinne) die Ausbildung eines Werte-Kanons gesellschaftlich gesehen auch sein mag: Mit Weisheit hat ein solches Gerüst nichts zu tun.
Keine Ordnung kommt ohne Standpunkte aus, doch…
Weisheit arbeitet
ohne Standpunkt.
Dezembergrüße… 🍁
von Nirmalo
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